Gesammeltes Märchen
der Brüder Grimm
Das arme
Mädchen
Es war einmal ein armes, kleines Mädchen,
dem war Vater und Mutter gestorben, es hatte kein Haus mehr,
in dem es wohnen, und kein Bett mehr, in dem es schlafen konnte,
und nichts mehr auf der Welt, als die Kleider, die es auf dem
Leibe trug, und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm
ein Mitleidiger geschenkt hatte; es war aber gar fromm und gut.
Da ging es hinaus, und unterwegs begegnete ihm ein armer Mann,
der bat es so sehr um etwas zu essen, da gab es ihm das Stück
Brot; dann ging es weiter, da kam ein Kind und sagte: „Es
friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, das ich
darum binde", da thät es seine Mütze ab und gab
sie dem Kind. Und als es noch ein bißchen gegangen war,
da kam wieder ein Kind, und hatte kein Leibchen an, da gab es
ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein,
das gab es auch von sich hin, endlich kam es in Wald, und es
war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein,
und das fromme Mädchen dachte: Es ist dunkle Nacht, da
kannst du wohl dein Hemd weggeben, und gab es hin. Da fielen
auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke
Taler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, hatte es doch
eins an, aber vom allerfeinsten Linnen, da sammelte es sich
die Taler hinein und ward reich für sein Lebtag.
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