Gesammeltes Märchen
der Brüder Grimm
Katze
und Maus in Gesellschaft
Eine Katze hatte Bekanntschaft mit einer Maus
gemacht und ihr soviel von großer Liebe und Freundschaft
vorgesagt, die sie zu ihr trüge, daß die Maus endlich
einwilligte, mit ihr zusammen in einem Haus zu wohnen und gemeinschaftliche
Wirtschaft zu führen. "Aber für den Winter müssen
wir Vorsorge tragen, sonst leiden wir Hunger", sagte die
Katze. "Du, Mäuschen, kannst dich nicht überallhin
wagen und gerätst mir am Ende in eine Falle." Der
gute Rat wurde also befolgt und ein Töpfchen mit Fett angekauft.
Sie wußten aber nicht, wohin sie es stellen sollten. Endlich,
nach langer Überlegung, sprach die Katze: "Ich weiß
keinen Ort, wo es besser aufgehoben wäre, als die Kirche;
da getraut sich niemand etwas wegzunehmen. Wir stellen es unter
den Altar und rühren es nicht eher an, als bis wir es nötig
haben." Das Töpfchen wurde also in Sicherheit gebracht.
Aber es dauerte nicht lange, so trug die Katze Gelüste
danach und sprach zur Maus: "Was ich dir sagen wollte,
Mäuschen, ich bin von meiner Base zum Gevatter gebeten.
Sie hat ein Söhnchen zur Welt gebracht, weiß mit
braunen Flecken, das soll ich über die Taufe halten. Laß
mich heute ausgehen und besorge du das Haus allein!"
"Ja, ja", antwortete die Maus, "geh in Gottes
Namen! Wenn du was Gutes ißt, so denk an mich! Von dem
süßen roten Festwein tränk ich auch gern ein
Tröpfchen!"
Es war aber alles nicht wahr. Die Katze hatte keine Base und
war nicht zum Gevatter gebeten. Sie ging geradewegs nach der
Kirche, schlich zu dem Fettöpfchen und leckte die fette
Haut ab. Dann machte sie einen Spaziergang auf den Dächern
der Stadt, streckte sich hernach in der Sonne aus und wischte
sich den Bart, sooft sie an das Fettöpfchen dachte. Erst
als es Abend war, kam sie wieder nach Hause. "Nun, da bist
du ja wieder!" sagte die Maus. "Du hast gewiß
einen lustigen Tag gehabt."
"Es ging an", antwortete die Katze. "Was hat
denn das Kind für einen Namen bekommen?" fragte die
Maus.
"Hautab", sagte die Katze ganz trocken.
"Hautab", rief die Maus, "das ist ja ein seltsamer
Name! Ist der in eurer Familie gebräuchlich?"
"Was ist da weiter!" sagte die Katze. "Er ist
nicht schlechter als Bröseldieb, wie deine Paten heißen."
Nicht lange danach überkam die Katze wieder ein Gelüste.
Sie sprach zur Maus: "Du mußt mir den Gefallen tun
und nochmals das Hauswesen allein besorgen; ich bin zum zweitenmal
zum Gevatter gebeten, und da das Kind einen weißen Ring
um den Hals hat, so kann ich's nicht abschlagen." Die gute
Maus willigte ein, die Katze aber schlich hinter der Stadtmauer
zu der Kirche und fraß den Fettopf halb aus. "Es
schmeckt nichts besser", sagte sie, "als was man selber
ißt", und war mit ihrem Tagewerk ganz zufrieden.
Als sie heimkam, fragte die Maus: "Wie ist denn dieses
Kind getauft worden?"
"Halbaus", antwortete die Katze.
"Halbaus! Was du sagst! Den Namen habe ich mein Lebtag
noch nicht gehört. Ich wette, der steht nicht im Kalender."
Der Katze wässerte das Maul bald wieder nach der Leckerei.
"Aller guten Dinge sind drei", sprach sie zu der Maus.
"Ich soll wieder Gevatter stehen. Das Kind ist ganz schwarz
und hat bloß weiße Pfoten, sonst kein weißes
Haar am ganzen Leib. Das trifft sich alle paar Jahre nur einmal.
Du lässest mich doch ausgehen?"
"Hautab, Halbaus", antwortete die Maus, "es
sind seltsame Namen, die machen mich nachdenklich."
"Da sitzest du daheim in deinem dunkelgrauen Flausrock
und deinem langen Haarzopf", sprach die Katze, "und
fängst Grillen. Das kommt davon, wenn man bei Tag nicht
ausgeht!"
Die Maus räumte während der Abwesenheit der Katze
auf und brachte das Haus in Ordnung; die naschhafte Katze aber
fraß den Fettopf rein aus. "Wenn erst alles aufgezehrt
ist, so hat man Ruhe", sagte sie zu sich selbst und kam
satt und dick erst in der Nacht nach Hause. Die Maus fragte
gleich nach dem Namen, den das dritte Kind bekommen habe. "Er
wird dir wohl auch nicht gefallen", sagte die Katze; "er
heißt Ganzaus."
"Ganzaus!" rief die Maus. "Was soll das bedeuten?"
Sie schüttelte den Kopf, rollte sich zusammen und legte
sich schlafen.
Von nun an wollte niemand mehr die Katze zum Gevatter bitten.
Als aber der Winter herangekommen und draußen nichts mehr
zu finden war, gedachte die Maus ihres Vorrats und sprach: "Komm,
Katze, wir wollen zu unserm Fettopf gehen, den wir uns aufgespart
haben! Der wird uns schmecken."
"Jawohl", erwiderte die Katze, "der wird dir
schmecken, als wenn du deine feine Zunge zum Fenster hinausstreckst."
Sie machten sich auf den Weg, und als sie anlangten, stand
zwar der Fettopf noch an seinem Platz, war aber leer.
"Ach", sagte die Maus, "jetzt merke ich, was
geschehen ist! jetzt kommt's an den Tag. Du bist mir eine wahre
Freundin! Aufgefressen hast du alles, während du behauptetest,
Gevatter zu stehen: erst Haut ab, dann halb aus, dann..."
"Willst du schweigen!" rief die Katze. "Noch
ein Wort, und ich fresse dich auf!"
"Ganz aus", hatte die arme Maus schon auf der Zunge.
Kaum war es heraus, tat die Katze einen Satz nach ihr, packte
sie und schlang sie hinunter.
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